Niemand möchte sich gerne darüber Gedanken machen, was passiert, wenn das geliebte Kind in eine Notsituation gerät und dadurch vielleicht einer tödlichen Gefahr ausgesetzt ist. Der nun folgende Artikel wird aufzeigen, dass es aber durchaus wichtig und vernünftig ist, sich mit Notfallszenarien und dem richtigen Verhalten seitens der Eltern auseinander zu setzen, um im Ernstfall nicht den Kopf zu verlieren. Personen, die genau wissen, was zu tun ist, können überlegt handeln und damit Leben retten!
Das richtige Verhalten in einem Notfall
Die meisten kleinen Unfälle, die sich im Alltag mit Kindern ereignen, sind nicht fatal und erfordern keine umfangreichen Maßnahmen. Beulen werden mit einem Kühlbeutel behandelt, oberflächliche Schnittwunden gereinigt und mit einem Pflaster versehen. Zusätzlich gibt es eine Extraportion Streicheleinheiten und liebevolle Worte von Mama und Papa, um den Tränenfluss zu stoppen und das Kind zu beruhigen.
Um einen Notfall handelt es sich, wenn beispielsweise durch eine Erkrankung, eine Vergiftung oder eine Verletzung lebenswichtige Funktionen beeinträchtigt werden oder gar ausfallen. Als lebenswichtige Funktionen werden die Atmung, das Herz-Kreislauf-System und das Bewusstsein angesehen – das richtige Verhalten in einem Notfall kann eine Verschlechterung oder sogar den Ausfall dieser Funktionen verhindern.
Besonnenes Handeln in einer Notsituation setzt die vollkommene innerliche Ruhe des Helfenden voraus. Dies ist besonders im Umgang mit einem Kind von größter Wichtigkeit. Schmerzen und Ängste quälen es ohnehin schon genug, so dass es in der Verantwortung des Erwachsenen liegt, Ruhe und Sicherheit auszustrahlen und diese Gefühle auf das Kind zu übertragen.
Anschließend erfolgen die ersten Maßnahmen zur Rettung des Opfers. Die genaue Reihenfolge dieser Vorgänge wird durch das Bild der sogenannten „Rettungskette“ verdeutlicht. Die Kette besteht prinzipiell aus 5 Gliedern, wobei die ersten 3 durch den Ersthelfer „abgearbeitet“ werden sollen.
Das vierte Glied der Kette betrifft jene Maßnahmen, welche der eintreffende Notdienst vornimmt. Das fünfte und letzte Glied stellt das Eintreffen des Opfers ins Krankenhaus dar. Diese beiden Teile der Rettungskette liegen außerhalb des Handlungsspielraumes des Ersthelfers und sind daher in den meisten Fällen für ihn nicht von Bedeutung.
Das erste Glied der Kette umfasst vor allem verschiedene Sicherungsmaßnahmen. Im Vordergrund stehen dabei die eigene Sicherheit und die des Kindes. Es gilt, sich von der Gefahrenzone (Unfallstelle, befahrene Straße, Brandherd, etc.) zu entfernen.
Danach findet die Erstversorgung des Opfers statt. Stark blutende Wunden müssen gestillt werden, da ein hoher Blutverlust lebensbedrohlich sein kann. Ist das Opfer bewusstlos, muss es in die stabile Seitenlage gebracht werden. Ebenfalls überlebenswichtig ist die Überprüfung der Vitalfunktionen des Kindes. Setzen Atmung und/oder Herzschlag aus, müssen unbedingt Maßnahmen zur Wiederbelebung durchgeführt werden.
Ist das Opfer in Sicherheit gebracht und erstversorgt worden, wird es Zeit, den Notarzt (112) zu rufen. Dieser muss mit folgenden Informationen versorgt werden:
- Wo befindet sich die zu rettende Person?
- Was genau ist dem Opfer zugestoßen?
- Wie viele Personen sind betroffen?
- Welche Art von Verletzungen oder Erkrankungen sind erkennbar?
- Warten auf Rückfragen des Notarztes und deren gewissenhafte Beantwortung
Auch wenn die Sanitäter alarmiert und auf dem Weg zum Ort des Geschehens sind – die Arbeit des Ersthelfers ist noch nicht erledigt.
Sobald die ersten Schritte erfolgreich durchgeführt worden sind und der Arzt zur Unfallstelle unterwegs ist, kann sich der Retter den kleineren Vorkehrungen widmen. Er könnte beispielsweise weitere Verletzungen verarzten (falls er über entsprechende Ausrüstung verfügt). Sollte der Verdacht auf einen Knochenbruch aufkommen, muss der Helfer dafür sorgen, dass der betroffene Bereich ruhig gestellt wird. Um vor einer Unterkühlung zu schützen wird das Kind mit einer Decke oder einer Jacke gewärmt.
Bleibt nichts mehr zu tun, sollte sich der Retter intensiv um das betroffene Kind kümmern. Jetzt stehen das Erwecken von Vertrauen und die Vermittlung von Sicherheit an erster Stelle. Dies kann durch körperlichen Kontakt (wie Umarmungen) und beruhigende Gespräche geschehen.
3 besondere Notfälle, die ein Eingreifen erforderlich machen
Im Zuge der Vorstellung der Rettungskette wurden bereits einige Notsituationen und die dafür erforderlichen Maßnahmen angesprochen – jedoch nicht im Detail ausgeführt. Daher möchte sich der nun folgende Absatz 3 besonders dringenden Notfällen und den dafür erforderlichen Maßnahmen widmen.
Eindringen von Fremdkörpern in die Atemwege (Aspiration)
Beim Spielen und Entdecken nehmen Babys oder kleine Kinder gerne ihr Spielzeug (aber auch alle anderen Dinge, derer sie habhaft werden können) in den Mund. Nicht selten geschieht es dann, dass sie dabei Kleinteile verschlucken.
Gelangt das Material in den Magen und ist weder scharfkantig noch giftig, wird ein gesundes Kind diese Teile innerhalb von 24 Stunden wieder ausscheiden. Zu einem echten Notfall kann sich das Szenario jedoch immer dann entwickeln, wenn die Fremdkörper in die Atemwege gelangen und diese blockieren.
In den meisten Fällen reagiert der Körper des Kindes spontan mit dem richtigen Verhalten und versucht, das Objekt durch Husten und Würgen auszustoßen. Die Versuche des Kindes, den Fremdkörper selbstständig loszuwerden, sollten erst einmal nicht gestört werden, denn sie versprechen eine hohe Erfolgsquote. Sobald der Erfolg jedoch ausbleibt und das Objekt droht, die gesamten Atemwege vollständig zu blockieren, wird ein Eingreifen durch eine erwachsene Person unabdingbar.
Die erfolgversprechendste Methode zur Entfernung von Fremdkörpern durch einen Helfer nennt sich „Heimlich Manöver“.
Das Heimlich Manöver
Eine der wichtigsten Maßnahmen, die während eines Erste-Hilfe-Kurses gelehrt werden, ist das sogenannte Heimlich Manöver. Dieser spezielle Griff erlaubt es dem Helfenden, einen verschluckten Fremdkörper aus der Luftröhre heraus zu befördern und den Notleidenden somit vor dem Ersticken zu bewahren.
Um das Heimlich Manöver durchzuführen, stellt sich die helfende Person hinter den Patienten und umschließt dessen Oberbauch mit ihren Armen. Eine der Hände des Helfers soll nun eine Faust bilden, die fest zwischen den Nabel und das Brustbeinende des Erstickenden gepresst wird. Die andere Hand umschließt die Faust und wird dann bis zu 5 Mal kraftvoll und ruckartig nach hinten (in Richtung des Helfers) gezogen. Idealerweise lehnt sich der Patient dabei ein wenig nach vorne um den Prozess zu unterstützen. Durch die Zugbewegung und den so entstehenden Druck ist es möglich, den verschluckten Fremdkörper zu beseitigen und dem Notleidenden eine normale Atmung zu ermöglichen.
Das Heimlich Manöver bei Babys und Kleinkindern
Die Anwendung des Heimlich Manövers birgt aufgrund des fragilen Körperbaus von Kleinkindern jedoch ein gewisses Verletzungsrisiko für diese Personengruppe. Sollte es bei Säuglingen und Kindern unter einem Jahr zu einem Erstickungsnotfall kommen, muss eine andere Methode zur Entfernung des Fremdkörpers angewendet werden.
Sobald der anwesende Erwachsene Anzeichen eines Verschluckens und eines auftretenden Erstickungsanfalls bemerkt, legt er den Säugling bäuchlings auf seinen Arm, welcher durch den Oberschenkel zusätzlich abgestützt werden kann. Der Kopf des Kindes zeigt nach unten und ragt über das Knie hinaus. Der Arm soll nicht waagerecht gehalten werden, sondern schräg nach unten zeigen, so dass die Schwerkraft die Erste-Hilfe-Maßnahme unterstützen kann – es wird empfohlen, bei der Durchführung zu sitzen oder zu knien, um das Kind sicher festhalten zu können.
Damit der Kopf des Kindes nicht lose hin und her schaukelt, wird eine Hand des Helfers gebraucht, um den Kiefer des Säuglings beidseitig fest zu umschließen und somit eine stützende Wirkung zu erzielen. Der Ersthelfer hat darauf zu achten, wirklich nur den Kiefer des Kindes zu umschließen – sobald durch die Hand Druck auf den Hals ausgeübt wird, kann eine erfolgreiche Extraktion des Fremdkörpers durch das Zusammenpressen der Atemwege verhindert werden.
Sobald das Kleinkind in der richtigen Position ist, versetzt der Helfer ihm mit flacher Hand feste Schläge zwischen die Schulterblätter, um den Fremdkörper zu lösen. Wurde die Maßnahme erfolgreich angewendet, sollte das verschluckte Kleinteil schon nach wenigen Schlägen ausgespuckt werden.
Das Kind erscheint „nicht erweckbar“
In Folge eines besonders schweren Unfalls (bei dem es zu einem Atem- und/oder Herz-Kreislauf-Stillstand gekommen ist) oder brutaler Gewalt können Ausfälle der lebenswichtigen Hirnfunktionen auftreten. Das äußert sich äußerlich durch Störungen des Bewusstseins – das Kind erscheint den Eltern als „nicht erweckbar“.
Eine abgeschwächte Variante ist die eintretende Bewusstseinstrübung. Das Kind ist zwar noch ansprechbar, zeigt jedoch erste Anzeichen dafür, dass das Gehirn nicht mehr optimal funktioniert. Bemerken die Eltern eine deutliche Verlangsamung der Bewegungsabläufe, Orientierungsstörungen oder fehlende Reaktionen (beispielsweise auf Fragen), spricht die Beweislage für eine einsetzende Bewusstseinstrübung.
Erste Maßnahmen in dieser Notsituation
Sollte sich das Kind in einem bewusstlosen Zustand befinden, muss es zuerst in die stabile Seitenlage gebracht werden. Diese bewirkt, dass der Mageninhalt, welcher aufgrund der fehlenden Muskelreflexe eventuell in den Mund- und Rachenraum und von dort aus in die Atemwege gelangen könnte, direkt ausgestoßen wird.
Zusätzlich verhindert die stabile Seitenlage das Zurückfallen der Zunge und eine dadurch entstehende Blockade der Atemwege.
Um das Kind in die stabile Seitenlage zu bringen wird es natürlich zuerst auf die Seite gedreht. Anschließend wird das obere Bein so angewinkelt, dass es den Unterkörper abstützt. Der unten liegende Arm wird ebenfalls leicht angewinkelt und vom Körper weg zeigend ausgestreckt. Die Hand des oberen Arms sollte unter das Kinn geschoben werden, um den Kopf in Position zu halten. Es ist dafür zu sorgen, dass der Mund geöffnet ist, damit Erbrochenes ungehindert austreten kann.
Bauchlage anstelle stabiler Seitenlage bei Babys
Bei Babys wird hingegen regelmäßig die Bauchlage anstelle der stabilen Seitenlage empfohlen, was dem Baby das ungehinderte Atmen weiterhin ermöglicht – bei einem Erbrechen, kann das Erbrochene abfließen, wodurch eine Erstickungsgefahr reduziert werden kann.
Sobald das Kind auf diese Weise gesichert ist, gilt es, schnellstmöglich einen Notruf abzusetzen und danach umgehend zum Opfer zurück zu kehren, um die lebenswichtigen Funktionen (Atmung und Herzschlag) bis zum Eintreffen der Sanitäter genauestens zu beobachten. Fallen diese aus, sind sofort die Wiederbelebungsmaßnahmen durchzuführen.
Ist das Kind noch bei Bewusstsein, aber nicht ansprechbar, helfen körperlicher Kontakt, Wärme und beruhigendes Reden, die Zeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes bestmöglich zu überbrücken.
Atem- und/oder Herz-Kreislauf-Stillstand
Dieses Szenario entspringt wahrscheinlich den schlimmsten Horrorvisionen aller Eltern: Das geliebte Baby hat aufgehört zu atmen. Wer rechtzeitig zur Stelle ist, um diesen Notfall zu bemerken, muss zuerst einmal nach dem Herzschlag des Babys horchen. Ist dieser noch vorhanden, steht nur die Atmung still und es muss sofort mit der Beatmung des Nachwuchses begonnen werden.
Beatmung bei einem Säugling: Der Kopf des Babys wird mit einer Hand sanft in Position gehalten. Anschließend soll der eigene Mund die Nase und den Mund des Opfers vollständig umschließen. Nun kann der erste Versuch der Beatmung in Angriff genommen und sanft Luft in den Mund des Kindes geatmet werden. Der Brustkorb des Babys sollte dabei stets unter Beobachtung stehen, damit überprüft werden kann, ob er sich durch die Maßnahme hebt und senkt.
Kann neben dem Aussetzen der Atmung auch ein Stillstand des Herzens erkannt werden, benötigt das Kind zusätzlich zur Beatmung eine Herzmassage.
Herzmassage bei einem Säugling: Der Untergrund, auf dem das zu rettende Kind liegt, sollte flach und hart sein. Babys können dazu auf einen Tisch gehoben werden. Nun muss der richtige Druckpunkt für die Herzmassage gefunden werden. Dazu sollte der Retter zuerst die Mitte des Brustbeins ausfindig machen. Als kleine Eselsbrücke dafür soll er sich eine gerade Linie zwischen den Brustwarzen des Kindes vorstellen. Der Zeige- und der Mittelfinger werden in der Mitte dieser erdachten Linie angesetzt und circa einen Fingerbreit nach unten bewegt.
- Die andere Hand hält während der Prozedur den Kopf des Babys in Position.
- Um die Herzmassage einzuleiten, wird die Brust des Kindes nun dreißig Mal schnell hintereinander 2 bis 3 Zentimeter weit hinunter gedrückt. Die Kompressionen sollten in einer Geschwindigkeit von 2 Stößen pro Sekunden erfolgen.
- Dem folgen zwei Beatmungen nach der weiter oben beschriebenen Methode.
- Die Maßnahme wird wiederholt bis sich eine Verbesserung des Zustandes einstellt.
Für den Notfall gewappnet: Erste-Hilfe-Kurse für Eltern
Jene Eltern, welche die vorangegangenen Abschnitte sorgfältig gelesen haben, dürften nun zu dem Schluss gekommen sein, dass ein fundiertes Wissen über die fachgerechte Anwendung von Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Säuglingen über Leben und Tod entscheiden kann. Dies ist keine Übertreibung, sondern Fakt.
Aus diesem Grund ist es sicher keine schlechte Idee, an einem speziellen Erste-Hilfe-Kurs für Eltern teilzunehmen, um die richtigen Handgriffe nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis zu erlernen. Sehr hilfreich sind dabei die Anweisungen der Kursleiter, welche jede falsche Bewegung direkt korrigieren werden und den Eltern somit ein Gefühl für richtigen Abläufe vermitteln können.
Nicht wenige Leute zögern im Notfall ein Handeln hinaus, da sie Angst davor haben, sich falsch zu verhalten oder das Kind noch weiter zu verletzen. Ein absolvierter Kurs kann Zögernden dabei helfen, ihre Befürchtungen und Ängste in Bezug auf Erste-Hilfe-Maßnahmen zu mindern.
Tipp: Das Absolvieren eines solchen Kurses bietet sich übrigens nicht nur für Eltern an. Auch all jene Personen, bei denen ein Kind über längere Phasen verweilt (Großeltern, Babysitter, etc.), sollten über ein fundiertes Wissen effektiver Rettungsmaßnahmen verfügen.